10 Jahre DRK Eingliederungshilfe
Pflegedienste ermöglichen Betroffenen, trotz Einschränkungen durch Krankheit und Alter, selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben. Weniger bekannt ist, dass es auch für Menschen mit psychischen oder Suchterkrankungen entsprechende Hilfen gibt.
Das Ambulant Betreute Wohnen im Rahmen der Eingliederungshilfe zielt darauf ab, Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt und vollumfassend teilhaben zu lassen. Vor zehn Jahren hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Eingliederungshilfe in sein Angebotsspektrum aufgenommen. Dieses Jubiläum wurde jetzt mit einem Festakt gefeiert.
„Was für gesunde Menschen selbstverständlich erscheint, ist für psychisch Kranke oft eine große Herausforderung: Etwa Bus zu fahren, soziale Kontakte zu pflegen oder sich selbst zu versorgen“, sagt Sylvia Schulze, die von Beginn an die Eingliederungshilfe beim DRK leitet. Gemeinsam mit ihrem 23-köpfigen Team aus Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen und psychiatrischen Fachkräften betreut sie ca. 120 Klient*innen in Bielefeld.
Die Betroffenen leiden etwa an Depressionen, Psychosen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Suchterkrankungen – nicht selten an mehreren Krankheitsbildern gleichzeitig. So vielfältig wie die Menschen sei die Betreuung, sagt Schulze. Diese reicht von einer vorübergehenden Begleitung nach einer akuten Lebenskrise bis zu einer langfristig bis dauerhaft angelegten umfassenden Unterstützung bei chronisch Erkrankten.
Eines aber haben alle Betreuungssituationen gemeinsam: „Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu den Klient*innen ist unser wichtigstes Handwerkszeug“, sagt die 62-Jährige, die selbst über 36 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen psychiatrischen Fachgebieten verfügt. Für die Betroffenen gehe es darum, elementare Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags zu erlernen oder zu reaktivieren, darüber Selbstwirksamkeit zu erfahren und wieder eigenverantwortlich handeln zu können, so Schulze. „Dabei kann es um lebenspraktische Fähigkeiten gehen, um den Umgang mit der psychischen Erkrankung, um soziale Kontakte, Arbeit, Beschäftigung, Tagesstruktur oder um Freizeitgestaltung.“ Ziel der Betreuung ist es, psychisch Erkrankte in der Krise und im Alltag zu stabilisieren und ihr Selbsthilfepotenzial durch Vermittlung spezieller Sicht- und Verhaltensweisen bei Problemen und Konflikten zu stärken.
Auch der Dezernent für Soziales und Integration der Stadt Bielefeld, Ingo Nürnberger, äußert sich positiv über die Unterstützung durch die Eingliederungshilfe: „Ich finde es sehr anerkennenswert, dass das DRK sehr aktiv im Gemeindepsychiatrischen Verbund mitarbeitet. Das DRK leistet damit nicht nur gute praktische Arbeit am Menschen, sondern engagiert sich darüber hinaus in den fachlichen Netzwerken und ist so mittlerweile ein fest etablierter Anbieter sozialpsychiatrischer Hilfen in Bielefeld geworden.“
Seit 2012 ist die Abteilung kontinuierlich gewachsen. Die Nachfrage nach unterstützenden Leistungen aufgrund zunehmender seelischer Erkrankungen steigt. Als mögliche Ursachen benennt Schulze schwierige familiäre Verhältnisse, Medien- und Drogenkonsum aber auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. „Erstmals zeichnet sich auch in unserem Bereich ein Fachkräftemangel ab. Der Bedarf ist hoch und die Probleme der Betroffenen komplex.“
Den Festvortrag zum Thema „Selbst- und Fremdverantwortung in der psychiatrischen Versorgung“ hielt Dr. Martin Reker, Leiter der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel.